Vor etwa einem Jahr haben Jochen Grasser von den Reisecen, Sonja Hofbauer von der IG 14. Jahrhundert und ich beschlossen uns für ein ganz besonderes Kochevent zu treffen.
Mittelalterliches Kochen, aber nicht – wie sonst für uns alle üblich – auf einer Veranstaltung.
Dort kochen wir für mehrere Leute (alles zwischen 10 und 100), wir kaufen eine Menge Lebensmittel ein, kochen auf offenem Feuer, erklären den Besuchern was wir da machen und müssen am Ende des Tages (und oft genug auch in der Früh und Mittags) die hungrige Darsteller-Meute satt bekommen.
Jetzt soll mich bitte niemand falsch verstehen – das alles macht großen Spaß! Aber es lässt auch wenig Raum für Experimente und noch weniger für Misserfolge.
Diesen Druck wollten wir bei unserem Treffen heraus nehmen. Sich privat treffen, eine moderne Küche, die gesamte Literatur zur Hand, viel Zeit um sich auszutauschen, herum zu probieren und – ganz wichtig – auch mit der Option etwas in den Sand setzen zu dürfen.
Sonja Hofbauer hat sich dann kurzerhand bereit erklärt uns ihre Küche zur Verfügung zu stellen (und das Wohnzimmer, die Terrasse, den Garten und sonstige Räume 🙂 – noch einmal: ganz lieben Dank dafür an die gesamte Familie Hofbauer und auch an die restliche IG 14 für die Unterstützung!)
Ende Mai hieß es also: auf nach Wien.
Wir haben im Vorfeld geplant, was jeder von uns gerne ausprobieren möchte und haben die Tage entsprechend grob eingeteilt um keine Engpässe mit Geschirr, Herd, etc. zu bekommen.
Letztlich hat die durchaus beeindruckende Liste der Gerichte dann wie folgt ausgesehen:
Verschiedene Senfe und Saucen – Sonja Hofbauer, hier nachzulesen: Neues aus der Gotik – Dreierlei Senf und Neues aus der Gotik – Saucen zu gebratenem Schwein
Claret und Hypocras – Sonja Hofbauer
Wurst aus Hirn und Knochenmark – Jochen Grasser
Strauben – Jochen Grasser
Sauerteig-Brot-Mini-Workshop – ich
Wurst aus Schweinefleisch und Frischkäse – ich
Wurst aus Ei und Käse – ich
Schweinebraten nach Anthimus – ich
Ich möchte hier ‚meine‘ Projekte noch einmal genauer aufschreiben.
Folgende Bilder wurden von René Schwab, Jochen Grasser, Sonja Hofbauer und mir gemacht. (Für größere Bilder bitte, wie immer, anklicken.)
Wurst vom Schwein mit Frischkäse
„(Wie man einen Schweinemagen füllt:) um einen Schweinemagen zu füllen, nimm aromatische Kräuter, Pfeffer, Safran, Schweinefleisch und frischen Käse. Zerstampfe alles zusammen. Nachher fülle den Magen. Daraus kannst du auch Würste oder Ravioli oder eine Pastete machen. Gib es zum Backen. Und wenn du das nicht willst, siede es <oder?> setze es zum Braten auf.“
Maier, Robert (Hrsg.) „Liber de Coquina – Das Buch der guten Küche“, F.S. Friedrich Verlag, Frankfurt am Main, 2005
ca. 2,5 kg Schweinefleisch inkl. dickem Fettrand (ganz wichtig!)
ca. 500 g Frischkäse (Cottagecheese, kein Philadelphia!)
Peffer
Safran
Salz
Petersilie
Oregano
Zitronenmelisse
Und ich glaube, ich hatte auch Minze drin (wobei ich das nicht mehr genau weiß)
Das Fleisch habe ich komplett mit der Hand geschnitten und gehackt, auch um festzustellen wie lange man für sowas braucht: 4,5 Stunden (+ Blase am Zeigefinger 😀 )
Die Wurst aus Schweinefleisch und Frischkäse hätte lt. Rezept ja eigentlich ein gefüllter Schweinsmagen werden sollen. Der Magen war auch bestellt, stand dann aber doch nicht zur Verfügung – es gab beim Metzger da wohl ein Missverständnis. Da das Rezept aber eindeutig vorsieht, dass auch Wurst aus der Masse gemacht werden kann, sind wir eben darauf ausgewichen.
Wir haben für alle hier genannten Würste Naturdarm verwendet.
Zum Stopfen der Wurst hatten René und ich im Vorfeld ein Kuhhorn vorbereitet. Das Horn würde sich an sich recht gut als Trichter eigenen und wurde – unter anderem von Mitgliedern meines Vereins, der IG Wolf – auch schon erfolgreich zum Füllen von Würsten verwendet.
Mein Horn war allerdings offensichtlich zu lang. Es war schwierig, die Masse effektiv in die Wursthaut zu bekommen. Wir werden das Horn entsprechend kürzen und dann noch einmal damit arbeiten.
Schließlich sind wir auf moderne Mittel ausgewichen – in meinem Fall auf eine Tülle, die eigentlich zu einem Spritzsack gehört. Damit hat es dann aber sehr gut geklappt.
Hier findet ihr jetzt auch die Weiterentwicklung unserer Wursttüllen und die Resultate mit dem gekürzten Horn.
Nach dem Stopfen wurden die Würste behutsam gebrüht. Dabei habe ich gelernt: Die Würste NICHT ins kochende Wasser geben sondern ins kalte Wasser legen und dann langsam mit dem Wasser heiß werden lassen – dann ist die Gefahr geringer, dass sie platzen.
Man könnte die Wurst an dieser Stelle haltbar machen, sie also räuchern und trocknen. Da wir sie aber am selben Tag noch essen wollten, wurden sie gebraten.
Im Zusammenhang mit der Wurst nochmal zurück zur Wursttülle:
Wir wissen nicht genau, mit welchem Werkzeug man im mittelalterlichen Europa Wurst gefüllt hat. Es gibt keine Bilder davon und so etwas hat man auch in Rezepten nicht festgehalten.
Wir haben aber Beschreibungen aus dem arabischen Raum. Genauer gesagt aus dem „Anonymous Andalusian Cookbook“ (13. Jhd). Dort werden Wursttüllen aus Glas oder Hartholz empfohlen.
Mein nächste Ziel also: Wursttüllen aus Hartholz (weil mir Glas zu zerbrechlich ist)
Wurst aus Ei und Käse
Mit der Wurst aus Ei und Käse konnte ich ein Experiment beenden, das ich vor mehr als einem Jahr begonnen habe. Nachzulesen hier.
„(Auf andere Art): nimm mit Wasser und Salz gut ausgewaschenen Darm. Dann zerstoße geschlagene Eier, geriebenen Käse, Safran, Gewürze und aromatische Kräuter und vermische sie, und damit wird der Darm gefüllt. Nachher wird es in heißes Wasser zum Kochen aufgesetzt. Dann wird es auf dem Rost gegrillt.“
Maier, Robert (HG, Übers.) „Liber de Coquina – Das Buch der guten Küche“ Robert Maier, Freising 2005 – 2017
10 mittlere Eier (ca. 500 g gesamt)
300 – 500 g Parmesan (sehr abhängig davon, wie alt und damit salzig der Parmesan ist)
Salz nach Bedarf (sehr vorsichtig salzen!)
Pfeffer
Macis
Zimt
Nelken
Petersilie
Oregano
Die Masse war verhältnismäßig flüssig, ließ sich aber aber gerade dadurch recht leicht in den Darm füllen. Hier ist es aber besonders wichtig, viel Platz zu lassen und den Darm nicht zu stark zu füllen. Die Eier dehnen sich aus und die Flüssigkeit produziert natürlich beim Kochen auch viel Dampf. Dadurch sprengt sie beim Kochen leicht die Wursthülle. Mir sind sowohl beim Brühen als auch dann beim Braten einige der Würste aufgegangen
Hier wäre hinzuzufügen, dass die Wurst ausgesprochen gut geschmeckt hat. Das nächste Mal möchte ich sie gerne mit altem Bergkäse probieren.
Braten nach Anthimus
„Mutton is suitable even if eaten often, both braised in a plain sauce or when roasted, provided that it is cooked some way from the fire. For if it is cooked near the fire, the meat burns on the outside whilst the inside remains raw, and it becomes more harmful than beneficial. So cook it, as I have stated, some way from the fire and for a long time; let it become in this way like steamed meat. When it is roasting, salt mixed with wine should be spread over it with a feather.“
Grant Mark (Ed.) „ Anthimus – De obseruatione ciborum – On the Observance of Food“ Prospect Books, 1996
2,5 kg Schweinsschopf
Salz
Rotwein
etwas Traubensaft
Den Braten gut salzen und dann alle 10 – 15 min mit der Wein-Salz-Saft-Mischung einpinseln.
Bei diesem Rezept habe ich mir die größten Abweichungen geleistet:
Mir ist bewusst, dass das Rezept eigentlich Hammelfleisch vorsieht. Das ist hier schonmal schwer zu bekommen und ich bezweifle auch, dass ich begeisterte Abnehmer dafür gefunden hätte. Hammel schmeckt halt schon sehr streng.
Wären wir weniger Esser gewesen, hätte ich wahrscheinlich stattdessen Lamm ausgewählt. Aber 2,5 kg Lammfleisch (ohne Knochen gerechnet!) ist richtig teuer und das wollte ich vermeiden. Also habe ich mich für Schweinefleisch entschieden.
Zusätzlich zum vorgegebenen Wein habe ich noch etwas Traubensaft in die Mischung zum Einpinseln gegeben, weil die Süße gut zum Schwein passt. Das oben im Bild ist also nicht verbrannt sondern karamelisierter Zucker aus dem Traubensaft.
Sauerteigbrot
Streng genommen gehört dieses Rezept nicht hierher, weil es dafür keine mittelalterliche Vorlage gibt. Ich nehme es trotzdem mit herein, denn wie ich hier geschrieben habe, ist die Verwendung von Sauerteig zumindest einmal sehr wahrscheinlich und die Zubereitung hat sich wohl kaum stark verändert.
Das Brotbacken hat mir mein Schwiegervater beigebracht, der gelernter Bäcker ist.
Ca-Mengen für 2 x 900 – 1000 g Brote:
750 ml Wasser
23 g Salz (man sagt: je 1000 ml Wasser, 30 g Salz)
1000 – 1300 g Mehl (Mehl verhält sich immer ein bisschen anders – die Menge richtet sich nach der Konsistenz nicht nach der Waage!)
Man kann reines Roggenmehl verwenden – dann wird das Brot aber sehr schwer.
Ich verwende meistens eine Mischung aus 3/4 Roggen, 1/4 Dinkelmehl oder 1/2 Roggen und 1/2 Dinkelmehl.
Am Abend vor dem Backen – Vorteig ansetzen:
1. In einer großen Schüssel Sauerteig in 250 ml lauwarmem Wasser auflösen
2. Soviel Roggenmehl dazugeben, dass sich die Mischung anfühlt wie sehr weicher Schlamm.
3. Mit einem Tuch zudecken, bei Zimmertemperatur über Nacht stehen lassen – nach 12 Std sollte der Vorteig gut aufgegangen sein, Blasen werfen und angenehm nach Hefe duften.
Am nächsten Morgen:
1. Vom Vorteig ca. 1 Handvoll Sauerteig wegnehmen und in eine kleine Schüssel geben – das ist der Sauerteig fürs nächste Mal backen!
Diese Handvoll mit viel Roggenmehl zu einem sehr festen, trockenen Teigklumpen kneten, kühl aufheben – hält mehrere Wochen lang problemlos.
Man kann den Sauerteig auch trocknen oder (moderner) einfrieren. Bei beiden Aufbewahrungsmethoden sollte man aber für das ‚Aufwachen‘ des Sauerteigs mehr Zeit einrechnen (24 statt 12 Stunden für den Vorteig)
2. Das restliche Wasser (ca. 500 ml, lauwarm) + Salz zum Vorteig geben. Gut mischen.
3. Jetzt langsam Mehl dazugeben, bis die Konsistenz stimmt. Der Teig muss sich gut anfühlen, darf nicht zu weich aber auch nicht zu fest sein. ACHTUNG: Roggenteig bleibt klebrig – nicht dazu
verführen lassen, deswegen immer mehr Mehl dazu zu geben!
4. Den Teig auf die bemehlte Arbeitsfläche geben und mit der Hand 10 Min kneten. Dabei kann man -wenn nötig – noch weiteres Mehl dazu geben.
5. Den Teig in die Schüssel zurück geben, zudecken, warm stellen, ca. 2 Std gehen lassen (oder so lang, bis sich das Volumen verdoppelt hat)
6. Den Teig zusammenschlagen, in zwei Hälften teilen, zu Laiben formen. In zwei Gärkörbe oder alternativ in Schüsseln mit gut bemehlten Tüchern setzen.
Wie oben gehen lassen.
7. Rohr auf 230 Grad vorheizen
8. Die Brote vorsichtig auf ein Blech stürzen. (Wenn man möchte, kann man die Kruste einschneiden.)
9. Bei 230 Grad ca. 10 – 15 min backen
10. Temperatur auf 180 Grad zurück drehen, weitere ca. 40 min backen. Das Brot muss sich hohl anhören, wenn man auf den Boden klopft.
11. Gründlich auskühlen lassen.
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Als Fazit für dieses wirklich wunderbare, kleine Event sei gesagt: Es hat großen Spaß gemacht, war sehr entspannt und lustig und wir haben alle viel gelernt. Die eingeladenen Esser haben sich lobend geäußert und ich denke, es ist alles sehr gut geworden.
2 Gedanken zu „Entspanntes Mittelalter-Kochen in Wien“