Es lebt! – Hefen züchten und einsetzen

In meinem vorigen Beitrag, Hefe und Sauerteig – Eine Geschichte voller Missverständnisse?  habe ich mich ausführlich mit der Verwendung von Hefe und Sauerteig im Mittelalter beschäftigt.
Dort habe ich außerdem  angekündigt, dass ich mich dringend genauer mit den diversen Formen von Hefe beschäftigen muss.
Vor Allem mit der Frage, wie gut sie sich verwenden lassen und ob sie auch im Mittelalter praktikabel gewesen wären.

Die Haustiere – verschiedene Hefen:

In diesem Artikel möchte ich mich mit den nicht-sauren Hefeformen beschäftigen: (Für größere Bilder bitte – wie immer – anklicken):

 

 

 

 

Von links nach rechts: Hefewasser (Wasser + frische Bio-Zwetschken), Bierhefe, Backhefe und die zweite Charge Hefewasser (Wasser + getrocknete Bio-Pflaumen)

Hefewasser:
Da ich mich nach mittelalterlichen Möglichkeiten richten wollte, habe ich (entgegen der im Umlauf befindlichen Rezepte) keinen Zucker zugesetzt sondern habe mich auf Wasser + Frucht beschränkt. Das Problem dabei ist, dass man sehr süße Früchte braucht um den für das Hefewachstum notwendigen Zuckergehalt zu erreichen.
Daher habe ich zunächst Wasser mit frischen Zwetschken ausprobiert, was aber nach einigen Tagen noch kaum reagiert hat. Danach habe ich das Ganze noch einmal mit getrockneten Pflaumen probiert, die mehr Zucker enthalten (nicht zuletzt weil sie zum höchsten Reifegrad getrocknet werden.)
Um es vorweg zu nehmen: Letztlich hat sich in beiden Chargen Hefe gebildet und beide sind fermentiert – zu erkennen an den Bläschen und an dem seidigen Belag an der Oberfläche. Die zweite Charge war nur sehr viel schneller dran.
Ich komme später noch einmal auf das Hefewasser zurück, aber zunächst noch was zu den anderen Hefen.

Bierhefe:
Die Bierhefe habe ich von meinem Bruder bekommen, der ein passionierter Hobby-Brauer ist. Er hatte vergangenen Freitag frisch gebraut und hat mir die Hefe aufgehoben. Allerdings handelt es sich hier um untergärige Hefe (die Hefe setzt sich also unten ab, statt oben zu schwimmen, was bei mittelalterlichen Bieren eher der Fall gewesen sein wird.)
Ich hatte gelesen, dass sich nur obergärige Hefe zum Backen eignet und dass untergärige Hefe dazu nicht zu gebrauchen ist. Ich hatte also meine Zweifel.

Backhefe:
Dazu gibt es nicht viel zu sagen. Ich habe ganz gewöhnliche, handelsübliche Bio-Backhefe aus dem Supermarkt verwendet.

Auf zum Backtest!

Der Vorteig:
Heutzutage kann man Backhefe, sei es in getrockneter oder frischer Form direkt zum Teig geben. Die frische Hefe muss man lediglich in etwas Wasser auflösen.
Ich habe aber noch gelernt, immer einen Vorteig zu machen. Dieser dient dazu, die Hefe ‚aufzuwecken‘, also den Pilz mit Stärke und Zucker zu füttern, damit er beginnt das gewünschte Kohlendioxid zu produzieren, das letztlich den Teig treibt.
Der Vorteig wird den restlichen Zutaten zugesetzt, dann lässt man den fertig gekneteten Teig noch einmal (oder auch zweimal oder noch öfter) aufgehen, bevor er geformt, noch einmal zum Gehen gestellt und schließlich gebacken wird.
Es ist recht leicht zu erkennen, wenn die Hefe im Vorteig aufwacht. So wie das das Tierchen nun einmal macht, beginnt die Mischung Bläschen zu schlagen und geht deutlich, idealerweise auf das Doppelte, auf.

Hier ist also mein erster Versuchsaufbau (den Vorteig mit der zweiten Charge Hefewasser habe ich später angesetzt). Bei den Mengen habe ich mich an einem Brot mit 500 g Mehl orientiert. Dafür würde ich normalerweise einen halben Würfel Hefe verwenden.  Da ich nicht wusste, wie das Experiment ausgeht und ich keine Lust hatte, dann womöglich zwei Brote wegwerfen zu müssen, habe ich die Menge für ein Brot gedrittelt. Ich bin also von einer Mehlgesamtmenge von 166 g pro Versuchsbrot ausgegangen.
Alle Vorteige bestehen zunächst aus je 2 gehäuften Esslöffeln Weizenmehl, die ich von der Gesamtmenge entnommen habe.
Beim Hefewasser habe ich 50 ml von dem Wasser zugesetzt, außerdem etwas warmes Wasser für die Konsistenz.
Bei der Bierhefe war es 1 EL Hefe, etwas von dem Bier, das noch mit dabei war und ebenfalls ein klein wenig warmes Wasser zum Verdünnen.
Bei der Backhefe würde ich für 500 g Mehl einen halben Würfel verwenden, ich habe also ca. 1/6 eines Würfels verwendet, den in warmem Wasser aufgelöst und zum Mehl gegeben.

Dann habe ich alle drei Schüsseln gut abgedeckt und 1 Stunde stehen lassen, damit auch alle Hefen eine Chance bekommen, ihr Können zu zeigen.

Das Ergebnis nach einer Stunde: Backhefe, Bierhefe, Hefewasser (v. l. n. r.)

Wie man gut sehen kann, sind Backhefe und Bierhefe gut um das Doppelte aufgegangen. Die Backhefe hat dabei kleine, feine Bläschen gebildet, die Bierhefe größere, gröbere. Das Hefewasser hat zwar ein wenig geblubbert, hat sich aber sonst kaum verändert.
Da das Hefewasser sich so gar nicht viel bewegt hat, habe ich mich entschlossen, der Hefe darin noch etwas mehr Zeit zu lassen und zunächst mit den beiden anderen Hefen weiter zu machen.

Der Teig:
Beim restlichen Rezept habe ich mich auf das absolut puristische Minimum beschränkt: Mehl, warmes Wasser, Salz. Ich wollte den Geschmack so unverfälscht wie möglich erhalten, um eventuelle Unterschiede besser sehen und schmecken zu können.

Brot mit Backhefe und mit Bierhefe (v. l. n. r.)

Die unterschiedliche Größe hat damit zu tun, dass ich bei der Bierhefe die Flüssigkeit im Vorteig unterschätzt und daher etwas zu viel Wasser zugegeben hatte. Ich musste dann mit Mehl auffüllen.
Auch muss ich hier einen Fehler zugeben, der mir leider gern passiert, wenn ich mit Hefeteig arbeite: mein Teig wird gern einmal zu weich. Das war auch hier der Fall, daher sind beide Brote zwar recht schön aufgegangen, sind aber dann beim Liegen etwas auseinander geflossen. Bei einem festeren Teig wären sie noch besser in die Höhe gegangen.
Was man aber schön sehen kann: beide sind im Verhältnis in der selben Zeitspanne fast gleich gut aufgegangen.

Ab ins Backrohr:
Beide Brote gingen gemeinsam bei nicht vorgeheizten 180 Grad Umluft ins Backrohr. (Ich heize nie vor um der Hefe beim Aufheizen noch Zeit zum Gehen zu geben.) Auch hier habe ich auf jede Art von ‚Anstrich‘ wie Ei oder Milch verzichtet um den Geschmack unverfälscht zu erhalten und das Backverhalten genauer beobachten zu können.

Das Ergebnis:
Wie man unten sehen kann, ist das Brot mit der Bierhefe (r.) etwas dunkler geworden, so wie schon der Vorteig und auch der fertige Brotteig etwas dunkler war. Das liegt sehr wahrscheinlich am Malz in der Bierhefe. Der Zucker in der Kruste ist dann beim Backen auch rascher dunkel geworden.
Beide Brote haben eine schöne, leichte Krume und eine dünne, sehr knusprige Kruste bekommen. Die Krume ist beim Teig mit der Bierhefe ein klein wenig gröber geraten, hat also größere Lufteinschlüsse. Das hat sich ja auch schon beim Vorteig mit den größeren Luftbläschen abgezeichnet.
Der Geruch ist bei dem „Bier-Brot“ ein wenig würziger, ganz leicht süßlich mit einem Unterton von getoastetem Getreide, beim Geschmack lässt sich allerdings kein Unterschied feststellen.

Zurück zu den Nachzüglern:

Was ist inzwischen mit dem Hefewasser-Vorteig passiert?
Nachdem sich der zuerst angesetzte Vorteig gar nicht weiterentwickeln wollte, habe ich einen zweiten Vorteig mit dem Trockenpflaumen-Hefewasser angesetzt, in der Hoffnung, das würde sich etwas lebendiger verhalten.

Vorteig mit Trockenpflaumen und mit frischen Pflaumen (v. l. n. r.)

Wie man gut sehen kann, sind beide grundsätzlich aktiv und schlagen kleine Bläschen. Auch der Geruch war angenehm, leicht ‚hefig‘. Allerdings wollte sich ansonsten nichts tun. Das Volumen hat sich kaum vergrößert.
Nach 24 Stunden habe ich den ersten Vorteig mit dem Hefewasser aus frischen Pflaumen endgültig entsorgt. Der zweite Vorteig schien ein wenig aktiver, also habe ich mich entschlossen, ihm noch eine Chance zu geben. Ich habe ca. 1 TL Honig zugesetzt, und das ganze dann noch einmal 8 Stunden stehen lassen. Die Bläschen haben sich ein wenig vermehrt, das Volumen dagegen immernoch nicht.
Nachdem mich zu dem Zeitpunkt dann schon die Essigfliegen fast bei lebendigem Leibe gefressen haben, habe ich – schweren Herzens – auch diesen Vorteig entsorgt und das Experiment Hefewasser damit mit einem Misserfolg abgeschlossen.

Herausforderung für die Bierhefe:

Ich konnte es dann allerdings nicht lassen, die Bierhefe noch einmal einem Test zu unterziehen.
Gemein wie ich bin wollte ich sehen, was das Tierchen so kann und habe ein Challenge-Rezept angesetzt. Cranberry-Knöpfe: Ein reichhaltiger Brioche-Teig mit relativ viel Fett (Butter, Milch, Ei) UND mit Cranberries und Walnüssen. So ein Teig ist schon für Backhefe nicht ganz einfach zu schaffen.

Diesmal habe ich eine ganze Masse Teig angesetzt, also die vollen 500 g Mehl als Grundlage. Der Vorteig bestand demnach aus 3 EL Bierhefe + Bier und – wie gehabt – etwas warmem Wasser und 2 gehäuften EL Mehl.

Der Vorteig feiert fröhlich, blubbert wunderbar for sich hin und hat sich – auch in der großen Schüssel – um das Doppelte vermehrt.

Ich hätte allerdings die Menge an Hefe nicht nur verdreifachen (also der Mehlmenge anpassen) sondern auch die schwere des Teiges mit einberechnen sollen. Es wäre gut gewesen, noch einen vierten Esslöffel dazu zu geben. Der Teig blieb beim Aufgehen, wie später beim Backen nämlich ein wenig sitzen.

Wie man sehen kann, ist der Teig nicht gut aufgegangen. Die obere Hälfte ist noch ganz OK, aber die untere ist deutlich sitzen geblieben. (Es schmeckt trotzdem lecker.)

Fazit:

1. Bierhefe:
Ja, natürlich kann man auch mit untergäriger Bierhefe backen. Wenn obergärige noch besser funktioniert, dann umso besser!
Der Geschmack war weder alkoholisch noch hat er sonst irgendwie an Bier erinnert. Tatsächlich war er so neutral wie die Backhefe. Der Geruch war ein wenig anders als der von Backhefe, aber auch der war keinesfalls unangenehm.
Bierhefe ist also ein absolut nutzbares Backtriebmittel.
Wenn ich an meinem vorigen Artikel denke, an die Möglichkeiten, die Hefe vom Brauen aufzubewahren und beim Backen einzusetzen, komme ich immer mehr zu dem Schluss, dass das eine gängige Zutat gewesen sein könnte.
Bleibt die Frage: Was hat man in muslimischen Teilen der Welt verwendet, in denen Alkohol verboten war? Nur Sauerteig? Oder eben doch eine Variante von Hefewasser?

2. Hefewasser:
Ich gehe davon aus, dass meine Ansätze schlicht nicht genug Zucker enthalten haben. Ich werde noch einmal einen Versuch  mit Bio-Rosinen starten, die noch einmal deutlich süßer sind.
Wenn man mit Obst arbeitet, das nicht süß genug ist, muss man von Anfang an Zucker oder Honig zusetzen.
Grundsätzlich hat das Ganze aber funktioniert. Ich habe eine schöne Fermentation beobachtet, das Hefewasser ist nicht verschimmelt oder verfault. Der Geruch war leicht süßlich und angenehm.
Auch der Vorteig war durchaus aktiv, mit einem leichten, angenehmen Hefeduft.
Nur fürs Backen hat es dann eben nicht gereicht.
Die Nutzung im Mittelalter wäre durchaus denkbar, solange man Obst verwendet, das süß genug ist oder etwas Honig zusetzt. Die Herstellung von Hefewasser ist nicht kompliziert und macht auch kaum Arbeit.
Allerdings halte ich es in einem Haushalt, in dem entweder direkt gebraut wird oder in dem man Zugang zum Brauvorgang hatte, für unnötig Hefewasser zu produzieren.

Wo stehe ich also jetzt?
Zunächst einmal beim Sauerteig, dem das nächste Experiment gelten muss. Die Führung von Sauerteig ist eine Wissenschaft für sich und Sauerteiggebäck lässt sich auch mit Hefegebäck nicht direkt vergleichen, daher habe ich ihn hier noch nicht inkludiert.

Und sonst? Klären lässt sich die Frage nach der tatsächlichen Nutzung von Hefe im Mittelalter durch meine Experimente natürlich nicht.
Die Machbarkeit lässt sich damit aber aufzeigen, wobei man idealerweise all das noch einmal in einer möglichst historisch korrekten Umgebung wiederholen sollte.

8 Gedanken zu „Es lebt! – Hefen züchten und einsetzen“

  1. Ein superschöner Artikel! Kompliment!

    „Bleibt die Frage: Was hat man in muslimischen Teilen der Welt verwendet, in denen Alkohol verboten war? Nur Sauerteig? Oder eben doch eine Variante von Hefewasser?“

    Kann es sein dass die (so wie heute) eher Brotfladen verwendet haben?

    1. Nein, in Scents and Flavours gibt es mehrere Brotrezepte mit Sauerteig. Getriebenes Brot war also schon bekannt. Frage ist halt ob es auch eine nicht saure Variante gegeben hat.
      Und danke fürs Kompliment:)

  2. Warum werden Hefen immer wieder als „Tierchen“ bezeichnet?
    Hefen sind einzellige Pilze und somit eben keine Tiere/Bakterien.
    Dennoch ein klasse Artikel zum Thema wilde Hefen.
    Und ja, für Hefewasser sind extrem süße Früchte notwendig.
    Trockenobst eignet sich also deutlich besser als frisches, darf aber nicht geschwefelt sein.

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