Rezension – Peter Lutz – Drei Kochbücher für Mittelalter-Anfänger

‚Warum taucht Peter Lutz in deiner Kochbuchliste nicht auf?‘
Eine gute Frage, denn Peter Lutz‘ Bücher werden in der Mittelalterszene gerne empfohlen, wenn man sich fürs Kochen interessiert.
Auch ich kenne alle drei Bücher schon eine ganze Weile. Aber ich wollte mir die Zeit nehmen sie gründlich zu lesen und zu rezensieren.

Zunächst einmal: Peter Lutz ist ganz sicher ein Pionier was die Umsetzung mittelalterlicher Rezepte angeht – nicht, weil es da nicht vorher schon Bücher gegeben hätte (‚Das Kochbuch des Mittelalters‘ von Trude Ehlert ist deutlich älter) sondern weil er das Ganze von der Seite des Darstellers angegangen ist.
Er hat also einen nicht-wissenschaftlichen Zugang zu dem Thema verfolgt und DAS ist wichtig, auch in der kommenden Rezension aller drei Werke.

Ich möchte noch betonen, dass ich beim Rezensieren besonders viel Wert auf die Nutzbarkeit für Anfänger gelegt habe. Gerade weil die streng wissenschaftlichen Werke oft etwas abschreckend wirken können. Für mich persönlich ist es wichtig zu wissen, was ich mit gutem Gewissen weiter empfehlen kann.

Allgemeines zu allen drei Bänden:

Alle drei Bände umfassen jeweils etwa 100 Seiten, sind fest gebunden und auf hochwertigem Papier gedruckt.
Die Fotos sind von wechselnder Qualität. Besonders im ersten Band stützt sich Lutz auf viele private Schnappschüsse, was den lockeren Zugang unterstreicht, aber natürlich die Fotoqualität beeinträchtigt.
In den Nachfolgebänden ist deutlich, dass immer mehr Fotos ganz bewusst für das Buch gemacht wurden – entsprechend besser ist der Gesamteindruck.

Ein sehr wichtiges Detail, das alle drei Bände auszeichnet: Lutz spricht immer in der ersten Person, aus seiner Sicht der Dinge. Er teilt persönliche Ansichten, Vorgehensweisen und Anekdoten zu Rezepten und Zutaten. Das unterstreicht weiter die nicht-wissenschaftliche Herangehensweise.

Auch der Aufbau ist in allen drei Bänden gleich gehalten:
1. Vorwort
2. Hauptteil – Rezepte, Anekdoten und Exkurse zum Thema
3. Vorschläge zur Menüzusammenstellung
4. Bezugsquellen
6. Verwendete Literatur
7. Inhaltsverzeichnis (nur Rezepte)

Das Vorwort ist dabei recht ausführlich – zum Beispiel wird in den ersten beiden Bänden sehr ausführlich darauf hingewiesen, welche Lebensmittel NICHT in die mittelalterliche Küche gehören.
Sehr gut gefallen hat mir die Zusammenstellung der Bezugsquellen. Dabei ist natürlich zu beachten, dass diese 10 oder 15 Jahre nach dem Erscheinen des Buches nichtmehr unbedingt gültig sein müssen. Trotzdem geben sie einen Hinweis in welche Richtung man suchen kann.
Die verwendete Literatur ist stark beschränkt aber für den Zweck der Bücher sicherlich ausreichend.

Kommen wir nun zu den einzelnen Bänden:

1. „Herrenspeis und Bauernspeis“ (2003/2004)

Das Hauptaugenmerk liegt in diesem Band bei der Burgküche der Ronneburg. Lutz berichtet von den Anfängen seiner Karriere als ‚mittelalterlicher Koch‘, von Kochkursen und Veranstaltungen auf der Ronneburg, die er in dieser Funktion betreut hat.

Die Rezepte sind oft in diese Anekdoten eingebettet.
Daraus resultiert auch ein Detail, das in den anderen Büchern nicht mehr zu finden ist: neben den üblichen Mengenangaben für 4 Personen, gibt es auch  die entsprechend aufgerechneten Mengenangaben ‚für den Burgkessel‘.
Das ist ein Detail, das ich schön und stimmig finde.
Außerdem mag es auch dem einen oder anderen angehenden Mittelalterkoch einen Eindruck vermitteln, welche Mengen für größere Personenanzahlen benötigt werden. Wenn man noch nie für einen ganzen Verein gekocht hat, kann so etwas schon hilfreich sein.
Die Rezepte selbst sind gut strukturiert und locker-übersichtlich gestaltet. Man findet sich schnell zurecht und das Nachkochen dürfte in den meisten Fällen auch für ungeübte Köche kein Problem sein.

Die Betonung der Darstellerseite, die sich durch das ganze Buch zieht, erleichtert es einem Anfänger ganz sicher noch weiter, einen Zugang zu den Rezepten zu finden. Die meisten Mittelalter-Koch-Anfänger kommen schließlich aus dem Bereich Verein/Veranstaltung/Mittelaltermarkt und finden sich in Lutz‘ Beschreibungen sicher wieder.

Was mich aber – gerade auch in Hinsicht auf Anfänger – gestört hat, waren diverse Ungenauigkeiten.
Wie ich oben betont habe, ist Lutz‘ Zugang eindeutig nicht-wissenschaftlich. Allerdings erwähnt er schon, dass er auch für Leute schreibt, die sich intensiver mit dem Thema beschäftigen wollen.
Fairerweise muss man auch sagen, dass Lutz bei seiner Erklärung der verwendeten Quellen erwähnt, dass Spätmittelter und Frühe Neuzeit eine große Rolle spielen, er betont aber nicht, dass er sich fast ausschließlich auf diese Quellen stützt.
Man mag mir jetzt Haarspalterei vorwerfen aber es stört mich, wenn dann im restlichen Buch die ganze Zeit von ‚Mittelalter‘ die Rede ist und kein Wort mehr dazu fällt, dass sich das Buch auf die letzten 200 Jahre von immerhin 1000 beschränkt (ganz zu schweigen von den vielen frühneuzeitlichen Rezepten).
Unter ‚Ungenauigkeiten‘ fällt für mich auch, dass die Herkunft der Rezepte nicht durchgängig ausgewiesen ist.
Sehr oft wird die Quelle genannt, oft auch mit dem Originaltext, aber von Zeit zu Zeit fehlt diese Zuweisung. Etwa bei den Variationen zu einer Sauce oder den Semmelknödeln.

Diese Ungenauigkeit betrifft sowohl die Rezepte als auch die Exkurse zu verwandten Themen wie 4-Säfte-Lehre, Tischzucht, oder mittelalterliche Tafel. Dabei finde ich diese Exkurse sonst sehr sinnvoll und auch gut gemacht.
Die Exkurse sind knapp zusammengefasst, dabei aber sehr verständlich geschrieben. Nur fehlt eben immer die genaue zeitliche Einordnung – gerade bei Themen wie Tischzucht wäre das sehr relevant.

Sehr gut gefallen haben mir die Exkurse zur Warenkunde, die Lutz immer wieder einbaut, wie etwa zu den typischen, im Mittelalter verwendeten Gewürzen. Solche Details zu den verwendeten Zutaten werden viel zu oft vernachlässigt.

Zum allgemeinen Teil des Buches wäre noch zu sagen, das Lutz einige küchentechnische Mittelaltermythen widerlegt, wie etwa den Mythos vom ach-so-teuren-Salz-das-mit-Gold-aufgewogen wird.
Andere Mythen übernimmt er aber, wie den von der Kirche, die etwas gegen Gabeln hatte. Tatsächlich war die Gabel (zweizinkig) bereits im frühen Hochmittelalter in Byzanz und – in geringerem Maß – auch südlich der Alpen bekannt. Die weitere Verbreitung ließ einfach noch auf sich warten (vgl. Schulz).

2. „Mein new Kochbuch“ (2005)

Dieser zweite Band entstand fast direkt nach dem ersten. Lutz erklärt im Vorwort, dass er hier Rezepte zusammengefasst hat, die sich in der Burgküche nicht oder nur schlecht realisieren ließen.
Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass es das persönlichste der drei Bücher ist.
Schon am Anfang gibt es einen kleinen Seitenhieb auf die sogenannten ‚Ritteressen‘ und später auch auf schlechte Mittelalterkochbücher. An beiden Stellen kann man direkt spüren, dass es Lutz ein sehr persönliches Bedürfnis ist, dagegen anzugehen.

Der Titel des Buches lehnt sich natürlich an Marx Rumpolts Buch ‚Ein new Kochbuch‘ von 1581 an. Entsprechend dreht sich auch der allergrößte Teil der Rezepte um diese Vorlage.
Alles in Allem kann man wohl übernehmen, was ich wegen der Ungenauigkeiten zum ersten Band schon geschrieben.
Auch hier stört mich, dass Rezepte aus der Renaissance als ‚mittelalterlich‘ bezeichnet werden, denn das Ende des 16. Jahrunderts ist nun einmal auch mit viel gutem Willen kein Mittelalter mehr.

Sehr gut gefallen hat mir aber der Zugang zu den Rezepten selbst. Lutz beschreibt hier noch ausführlicher, wie er die Rezepte interpretiert hat. So etwas ist für Anfänger sehr hilfreich, weil man den Prozess so gut nachvollziehen und auf evtl. eigene Versuche anwenden kann.

Auch hier finden sich viele kleine Artikelchen zur Warenkunde. Diesmal geht Lutz nicht nur auf mittelalterliche Besonderheiten ein sondern auch auf Dinge wie den Kauf von Fisch und was dabei zu beachten ist. Das sind Details, die ebenfalls sehr auf den Anfänger zugehen und ihm so die Scheu vor dem Thema nehmen.

Besonders nett fand ich übrigens den Übergang vom ersten auf den zweiten Band. Lutz stellt im ersten Band ein rätselhaftes Rezept für Huhn in einem Glasgefäß vor und löst das Rätsel dann im zweiten Band auf.

3. „Orientalisch-mittelalterliche Küche“ (2009)

Dieser Band ist mit Abstand mein persönlicher Liebling. Das hat vielleicht damit zu tun, dass ich mich auch schon recht eingehend mit mittelalterlicher Küche aus dem persisch-arabischen Raum befasst habe.
Und vielleicht auch damit, dass dieser Band der wissenschaftlich genaueste der drei ist.

Lutz orientiert sich hier großteils am „Kitab al-Tabikh“ aus dem 13. Jahrhundert in der Übersetzung von Charles Perry („A Baghdad Cookery Book – The Book of Dishes“ von 2005).
Die Rezepte, die Lutz daraus entnommen hat, sind deutlich durch ihre jeweiligen, arabischen Originalnamen gekennzeichnet und durch entsprechende Seitenangaben für Perrys Buch problemlos nachverfolgbar.

Aber das ist nicht Lutz‘ einzige Quelle. Er orientiert sich auch an 1001 Nacht. Das mag jetzt seltsam klingen aber er tut das auf ganz wunderbare, fast verspielte Weise. Er hat sich Stellen aus der vollständigen, mehrbändigen Ausgabe herausgesucht, die etwas mit Essen und/oder Kochen zu tun haben und hat versucht zu rekonstruieren, worum es dabei gehen könnte.
Seine Annahmen und Vorgehensweisen bleiben dabei die ganze Zeit vollkommen transparent und es besteht auch bei keinem der Rezepte ein Zweifel an der Quelle.

Meiner Meinung nach zeigt sich in diesem Band Lutz‘ Leidenschaft für das Thema ebenso deutlich wie sein großes Können und auch Wissen.
All diese Dinge setzen sich auch in den Exkursen in diesem Band fort. Er stellt nicht nur sehr ausführlich das notwendige, passende Kochgeschirr und dessen korrekte Benutzung vor sondern lässt sich auch auf (innerhalb des vorgegebenen Umfangs) großzügige Erklärungen zu orientalischen Zutaten ein.

Fazit:

Würde ich die Bücher einem Anfänger empfehlen obwohl sie nicht immer den Kriterien entsprechen, die ich normalerweise für empfehlenswerte Literatur anlege?
Ja, würde ich. Die Ungenauigkeiten in der Datierung müssen aufgezeigt und entsprechend im Auge behalten werden. Aber die Herangehensweise ist wirklich gut und für Anfänger absolut geeignet.
Die Bücher sind nicht zu dick, sie bieten eine Menge gut zugänglicher Rezepte und die historische Genauigkeit liegt zumindest in einem akzeptablen Rahmen.

Ganz persönlich möchte ich anmerken:
Was immer Peter Lutz NICHT ist (und er sagt selbst von sich, dass er weder Historiker noch Koch ist), er ist auf jeden Fall ein höchst ambitionierter und engagierter Laie. Und können nicht gerade wir aus der Darstellerszene, die wir oft Autodidakten sind, das nachvollziehen und schätzen?

Weitere Tips zu Büchern über die mittelalterliche Küche findet ihr hier.

—-

Lutz, Peter, „Herrenspeis und Bauernspeis – Krumme Krapfen, Ollapotrida und Mamonia – Rezepte aus der mittelalterlichen Burgküche“, 2004

Lutz, Peter, „Mein new Kochbuch – Würst vom Salm, Salbeimäuschen und weitere Rezepte aus der mittelalterlichen Burgküche“, M. Naumann, Nidderau, 2005

Lutz, Peter, „Orientalisch-mittelalterliche Küche“, M. Naumann, Hanau, 2009

7 Gedanken zu „Rezension – Peter Lutz – Drei Kochbücher für Mittelalter-Anfänger“

  1. Hallo Christa,
    vielen Dank für deine sehr ehrliche Rezension meiner Bücher. Du hast in allen Punkten Recht. Es gibt aber noch einen anderen Aspekt. In den Büchern stellt sich auch eine Entwicklung dar, inhaltlich und auch von den Foto her. Als wir in den Neunzigern in der Küche der Ronneburg „experimentierten“ hatten wir nicht annähernd den gleichen Zugriff auf die entsprechenden Informationen wie heute. So sind die ersten Bücher noch ohne Internethilfe zustande gekommen. Auch waren bestimmte Gewürze nur schwer und über mehrere Händler erhältlich. Mit der Zeit lernt man natürlich immer mehr dazu und macht weniger Fehler. Waren die ersten Fotos zufällige analoge Aufnahmen, entstanden die späteren digital und unter optimaler Ausleuchtung in Studioqualität. Hierbei möchte ich auch betonen, das ich alle Leistungen selbst erbracht habe.
    Zwar war mir schon zu Beginn bewusst, dass die Renaissance nicht mehr zum Mittelalter gehört, aber die mittelalterlichen Koch- und Speisegebräuche haben sich noch sehr lange erhalten. Darauf habe ich allerdings nicht hingewiesen.
    Hinweisen möchte ich an dieser Stelle noch, dass ich seit 2006 regelmäßig Artikel in der Zeitschrift Karfunkel und ihren Sonderheften veröffentliche.
    Das Wichtigste aber ist, dass mir meine Arbeit (seit 1993) immer noch sehr viel Spass macht und dass mir auch der Austausch mit anderen sehr wichtig ist.
    Liebe Grüße
    Peter

    1. Lieber Peter,
      ich bin froh, dass du mir nicht böse bist.
      Ich schätze sehr, welche Arbeit du in deine Bücher gesteckt hast und auch, dass du dein Wissen überhaupt teilst. Es gibt genug Leute, die es nicht tun. Ich hoffe, der Respekt vor dir und deiner Arbeit ist auch in meinem Artikel spürbar.
      Natürlich ist es heutzutage leichter an Informationen zu kommen. Ich habe in den 90ern studiert und weiß, wie sehr man vom Studentenausweis und dem Zugang zur Uni-Bibliothek abhängig war.
      Da ist das heute schon sehr, SEHR viel einfacher. Dafür braucht es heute entsprechend mehr Vorwissen um aus der Masse an Information die herauszufiltern, die auch etwas taugt.
      Ich wusste zwar, dass du für die Karfunkel geschrieben hast (und das auch immernoch tust?) aber ich habe die Zeitschrift nie gelesen und kann mich daher dazu auch nicht äußern.
      Austausch ist ein wissenschafltiches Grundprinzip. Und auch auf der reinen Hobby-Ebene bedeutete es mir viel mich austauschen zu können. Alleine schon, weil es so hilfreich ist, damit man bei all den Recherchen den roten Faden nicht verliert. Daher bin ich ja auch so glücklich über den regen Austausch mit dir – sei es hier in den Kommentaren (die jetzt endlich wieder funktonieren) oder per Email.
      Ich hoffe wirklich, dass wir uns nächstes Jahr in Gelnhausen endlich wieder treffen. Im Moment scheint aber noch nichts geplant zu sein. Mal sehen.
      Liebe Grüße
      Christa

      1. Hallo Christa, Hallo René
        natürlich schreibe ich noch für Karfunkel. Dank deiner Nachfrage habe ich mal ein wenig Statistik betrieben. Seit 2006 habe ich auf über 500 Zeitschriftenseiten 123 Artikel mit einem oder mehreren Rezepten, ca. 40 Einzelrezepte, 28 Artikel ohne Rezept und 4 Themenheftchen mit vielen Rezepten geschrieben. Von meinen Ideen und Vorbereitungen kann das gerne nochmal so viel werden.
        Ich habe dir mal einige Artikel kopiert und schicke sie mit der Post.
        Auch die DVD zu einem Film, den wir mit Bayern alpha 2012 auf der Ronneburg gedreht haben. Alle meine Sprechtexte und auch alles Interieur in der Küche der Ronneburg sind von mir.
        Bin schon gespannt auf eure Reaktion.
        Liebe Grüße
        Peter

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