Mittelalterliches von Tupperware – Wer hätte das gedacht?

Tupperware verbindet man mit allen möglichen kulinarischen und küchentechnischen Details. Aber ganz sicher nicht mit dem Mittelalter.

Tatsächlich hat aber Tupperware in den 80er und 90er Jahren eine Reihe von wunderschönen Faksimilie-Ausgaben mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kochbücher herausgegeben.
Die Ausgaben wurden  nur einmal aufgelegt und sind nur noch antiquarisch erhältlich.

Beschreibung und Inhalt

Alle fünf Bände sind als Hardcover aufgelegt.
Die Einbände entsprechen den Einbänden der Originale (natürlich als Aufdruck, nicht tatsächlich so gebunden).
Außerdem entsprechen alle Bände auch in ihrem Format den Originalen.

„Ein schön künstlich Kochbüchlein von vielen und manchen Richten“(1609)
Der erste Band der Reihe ist 1985 als Sonderdruck für den Bundespresseball erschienen.
Er enthält eine Faksimileausgabe des Werkes von 1609, allerdings keine weitere Bearbeitung.

„daz buoch von guoter spise“ (um 1350)
Der zweite Band entstand anlässlich des 30jährigen Jubiläums von Tupperware Deutschland und wurde 1992 herausgegeben.
Dieser Band enthält eine Faksimileausgabe des Originals und eine Nachschrift von Artur Kupfer.
Hier findet sich außerdem ein sehr kurzer, allgemein gehaltener Kommentar und ein kurzes Glossar. Außerdem eine ebenfalls knappe Literaturliste.

„maister hansen des von wirtenberg koch“ (vor 1460)
Der dritte Band erschien 1996. Zu diesem Zeitpunkt scheint man bei Tupperware keinen speziellen Grund mehr für die Herausgabe früher Kochbuchliteratur gebraucht zu haben.
Man hat es sich lediglich „zur Aufgabe gemacht, mit dem Kochbuch des Meister Hans ein weiteres wertvolles Dokument deutscher Küchenkultur den Freunden der Kochkunst und unseres Hauses zugänglich zu machen.“

Dieser Band wurde auch inhaltlich bereits deutlich erweitert. Die große Expertin für die deutschsprachige, mittelalterliche Küche, Trude Ehlert, wurde als Bearbeiterin herangezogen.
Auch hier gibt es zunächst eine Faksimileausgabe des Originalwerkes. Ein Drittel des Bandes wird danach aber von Edition, Übersetzung und Kommentar von Trude Ehlert eingenommen.
Wie bei einem wissenschaftlichen Bearbeiter zu erwarten, findet sich hier auch eine Literaturliste und eine Reihe von Anmerkungen zur Übersetzung.

 „Rheinfränkisches Kochbuch um 1445“
Wie schon bei Meister Hans ist auch diese Ausgabe lediglich „dem interessierten Publikum“ und „Freunden unseres Hauses“ gewidmet.

Für Übersetzung, Anmerkung und Glossar wurde hier ein weiterer Experte für diese Literaturgattung, nämlich Thomas Gloning heran gezogen. Von Trude Ehlert stammt der Beitrag zur kulturhistorischen Würdigung des Werkes.
Nach dem üblichen Faksimile folgt hier der wissenschaftliche Teil, der in diesem Band bestimmt 5/6 des Gesamtvolumens einnimmt.
Wie oben schon geschrieben, enthält dieser Teil eine Edition und Übersetzung, aber auch weitreichende Anmerkungen zur Übersetzung, mehrere, großformatige Seiten mit Literaturangaben und weiteren Anmerkungen, ein sehr ausführliches Glossar und den Beitrag von Trude Ehlert.

„Münchner Kochbuchhandschriften aus dem 15. Jahrhundert – Cgm 349, 384, 467, 725, 811 und Clm 15632“
Dieser, letzte Band von 1999 schließlich widmet sich allen Kochbuchhandschriften aus dem Bestand der Münchner Staatsbiliothek. Wie die Bände 3 und 4 gibt es auch keinen speziellen Anlass für die Veröffentlichung mehr.

Für die wissenschaftliche Bearbeitung ist hier wieder Trude Ehlert federführend, allerdings in Zusammenarbeit mit einem achtköpfigen Wissenschaftsteam.
Nach den Faksimileausgaben aller sechs Handschriften folgt der wissenschaftliche Teil, der etwa 3/4 des Gesamtvolumens ausmacht. Auch hier finden sich Edition, Übersetzung und Kommentar zu allen Handschriften, sowie Glossar und Literaturliste.

Beobachtungen, Nutzbarkeit und Sammlerleidenschaft

Es ist interessant zu beobachten, wie man bei Tupperware von einer Ausgabe, die offensichtlich eher als netter Gag gedacht war, zu von Experten wissenschaftlich betreuten Werken gekommen ist.
Die Resonanz auf die frühen Ausgaben muss beachtlich gewesen sein um die bestimmt auch deutlich teureren, späteren Ausgaben zu rechtfertigen.

Über die Nutzbarkeit der beiden frühen Ausgaben lässt sich bestimmt streiten. Es sind schöne Bände, die man gerne zur Hand nimmt aber für den Laien sind die Faksimiles doch schwer zu lesen und noch schwerer umzusetzen.
Die drei späteren Ausgaben werden durch die Übersetzungen und die wissenschaftliche Aufarbeitung schon deutlich besser fassbar gemacht.

Also eine Kaufempfehlung?

Wenn es einem um die reine Nutzbarkeit geht, gilt hier ein deutliches ‚Nein‘ für die ersten beiden Bände, ein noch deutlicheres ‚Ja‘ für die drei anderen. Die letzten drei Bände gelten nach wie vor als wissenschaftlich relevant und werden in vielen Literaturlisten genannt.

Wenn man – wie ich – aber ein ausgeprägtes Jäger-und Sammlergen hat, wenn es um frühe Kochbücher geht, gilt ein großes, leuchtendes (und, wenn ich in diesem Editor könnte, blinkendes): JA, NATÜRLICH, WIE KÖNNT IHR SOWAS FRAGEN!
Die Bände sind ausgesprochen liebevoll gemacht und auch wenn die genannten Werke mittlerweile alle als Digitalisate zugänglich sind, ist es immernoch ein schönes Gefühl, die Originalschriften auf diese Weise betrachten zu können.

Weitere Hinweise zur mittelalterlichen Kochbuchliteratur findet ihr hier.


Autor unbekannt, „Ein schön künstlich Kochbüchlein von vielen und manchen Richten“, Tupperware, Donauwörth, 1985 (keine ISBN)

Autor unbekannt, „Daz buoch von guoter spise“, Tupperware, Donauwörth, 1992 (ISBN 3403024040)

Meister, Hans, Trude Ehlert, „Maister Hansen des von Wirtenberg Koch“, Tupperware, Donauwörth, 1996 (ISBN 340328615)

Autor unbekannt, Thomas Gloning, Trude Ehlert, „Rheinfränkisches Kochbuch (um 1445)“, Tupperware, Frankfurt, 1998 (ISBN 3403031314)

Autor unbekannt, Trude Ehlert, „Münchner Kochbuchhandschriften aus dem 15. Jahrhundert – Cgm 349, 384, 467, 725, 811 und Clm 15632“, Tupperware, Donauwörth, 1999 (ISBN 3403033643)

3 Gedanken zu „Mittelalterliches von Tupperware – Wer hätte das gedacht?“

  1. Juhu, dank
    deines Artikels bin ich mir sicher alle zu haben und zwar schon seit gut zwanzig Jahren. In Frankfurt gab es damals eine Spezialbuchhandlung für Essen und Trinken. Eine wahre Fundgrube, in der ich viel Geld gelassen habe, aber jedes Buch, nicht nur diese fünf, hat sich gelohnt.
    Im „rheinfränkischen“ habe ich einige interessant Rezepte für die Zubereitung für Sülzen gefunden. Aber auch Übersetzungsfehler, wenn die grünen Wallnüsse „geschält“ werden sollen.
    Liebe Grüße
    Peter

    1. Hätte mich auch gewundert, wenn du die nicht gehabt hättest 🙂
      Ich denke, Übersetzungsfehler gibt es immer einmal wieder.
      LG
      Christa

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