Rezension – „The Book of Sent Soví“ – Katalonische Rezepte aus dem 13./14. Jhd.

Santanach, Joan (Ed.), Robin Vogelzang (Transl.) „The Book of Sent Soví – Medieval recipes from Catalonia“, Tamesis – Barcino, Barcelona, 2014

Grunddaten zur vorliegenden Ausgabe:
2. Auflage (Erstdruck 2008)
227 Seiten, Soft Cover
– Kurzes Vorwort von Herausgeberin und Übersetzer
– Inhaltsverzeichnis
– Rezepte in Original + Übersetzung
– Anhang 1 (Zusätzliche Rezepte aus einer verwandten Sammlung)
– Anhang 2 (Vergleich mit späteren Rezepten, Bibliographie)

Warum?

Warum eine Rezension für genau dieses Primärwerk?
Weil es, meiner Meinung nach, in unseren Breiten viel zu unbekannt ist. Es gibt haufenweise Material zum Buoch von guoter spise, zum Forme of Cury oder zum Menagier de Paris.
Aber kaum etwas zu diesem Buch.
Dabei ist es ein wunderbares Beispiel für das Verschmelzen von persisch/arabischen Einflüssen mit der europäischen Küche und enthält eine ganze Reihe spannender Rezepte.

Wo? Wann? Wie? Wer?

Geographische Einordnung:
Die erhaltenen Kochbücher aus dem heutigen Spanien umfassen auch das Anonymous Andalusian Cookbook aus dem 13. Jhd, das sehr große Ähnlichkeit mit zeitgleich entstandenen Kochbüchern aus dem islamischen Raum hat, etwa dem „Scents and Flavours“, das im heutigen Syrien entstanden ist.
Das Book of Sent Soví – entstanden in Katalonien, also ganz im Norden des heutigen Spanien – bietet ein Verbindungsstück zwischen den südlichen Einflüssen und denen aus dem Norden.
(An dieser Stelle: Ja, ich bin mir der Problematik zum Thema Katalonien vs. Spanien bewusst. Ich halte mich hier trotzdem an die im Moment offiziellen Staatsgrenzen und bitte von entsprechenden Kommentaren abzusehen.)

Zeitliche Einordnung:
Wie so oft ist es nicht so einfach …
Das einzige, erhaltene Exemplar liegt in der Bibliotheca Històrica der Universität von Valencia und stammt aus dem 15. Jahrhundert. Die erste Niederschrift stammt aber, soweit man das sagen kann, aus der ersten Hälfte des 14. Jhds, die Rezepte selbst sind noch älter.
Der Einfluss der Sammlung läßt sich weiter ins 16. Jhd verfolgen und wurde im katalanischen Sprachraum, aber auch in Richtung Kastilien und Italien weiter gegeben.

Sprache, Verfasser und Übersetzung:
Wie im 14. Jhd in ganz Europa immer üblicher, ist auch diese Sammlung nicht mehr auf Latein, sondern in der Nationalsprache – in diesem Fall Katalanisch – verfasst.
Wie ebenfalls für diese Zeit üblich (abgesehen von wenigen Ausnahmen) ist der Verfasser unbekannt. Er gibt jedoch in einer kurzen Einleitung vor, in der Tradition anderer großer Köche und für einen adeligen Hof zu arbeiten. Übrigens ist auch dieses aufkommende Standesbewusstsein und der selbstbewusste Umgang mit dem Handwerk/der Kunst des Kochens typisch für diese Zeit.
Die vorliegende Fassung enthält sowohl den katalanischen Originaltext (als Edition) als auch die erste Übersetzung ins Englische.

Was?

Die Handschrift aus Valencia, die als Grundlage für das Buch verwendet wird, umfasst 72 Rezepte. Eine jüngeres, verwandtes Werk enthält noch weitere 17, die in Anhang 1 separat gelistet werden.

Saucen:
Wie immer in mittelalterlichen Kochbüchern nehmen Saucen eine wichtige Stellung ein. Sie umfassen alleine 27 Rezepte. Dabei werden warme wie kalte Saucen gelistet.
Interessant dabei ist, dass viele Saucen mit fein gemörsertem Fleisch gebunden werden. Das Binden mit Leber kommt gerade in späteren Rezepten öfter einmal vor aber in den Rezepten von Sent Soví wird mit jeder Form von Fleisch gebunden – von der Hühnerbrust über Schweinefleisch bis hin zum Fisch. Auch gibt es hier eine Sorte Saucen, die ich in dieser Form noch nicht gekannt habe: Käsesaucen. Zum Beispiel:

Garlic Cheese:
If you want to make garlic cheese, take dry white cheese and grind it together with garlic. When it is well ground, put in a little oil or mix it with lukewarm water that has not boiled.If you want to put in four or five egg yolks, it will be even better, especially if it is served with meat. (S. 79)

Einflüsse der arabischen Küche:
Auffällig ist der fast schon inflationäre Umgang mit Zucker. Sicher – wie bei vielen Angaben zu Gewürzen dieser Zeit – Protzerei bzw. ein Zeichen von Reichtum. Allerdings bildet es auch einen klaren Bezug zur Küche der islamischen Welt, in der Zucker in vielen, VIELEN verschiedenen Varianten und Zubereitungsmethoden schon Jahrhunderte vorher eine große Rolle spielt.
Ebenso in diesen Einflussbereich gehören Rezepte mit Zitronen, Bitterorangen, Granatäpfeln, Pistazien aber auch Hammelrezepte, ein Konfektrezept für gefüllte, in Honig eingelegte Walnüsse und typisch mediterrane Zutaten wie Pinienkerne oder Oktopus.

Breie / Löffelspeisen:
Breie aller Art gibt es in vielen Kochbüchern, hier werden sie aber gesammelt hintereinander präsentiert, vor Allem als Speisen für die Fastenzeit. Interessanterweise verbindet das die Herausgeberin in der Einleitung mit einer Aussage von Arnaldus de Villa Nova, einem spanischen Arzt, Ende des 13. Jhds, der in seinem Regimen Sanitatis eindeutig sog. Löffelspeisen als Fastenspeisen ausweist.
Das wäre auch ein Hinweis darauf, warum auf Darstellungen, auf denen Fleisch gegessen wird, keine Löffel zu finden sind.
Die hier präsentierten Breie sind denkbar einfach, haben aber sicher gar nicht schlecht geschmeckt. Diverses Getreide (ungemalen, als Mehl, als Gries und als reine Stärke) wird in Mandelmilch weich gekocht und dann mit viel Zucker und ein wenig Salz gewürzt.

Käse:
Käse wird in der mittelalterlichen Küche allgemein sehr viel verwendet. Aber hier ist er wirklich überall.
Interessant dazu eine Bemerkung des Übersetzers, dass es in dieser Gegend sehr üblich war, Käse zum Abschluss eines Essens zu reichen. (Wie das ja heute auch noch und nicht nur in Spanien getan wird.) Entsprechend gibt es auch eine ganze Handvoll Rezepte, die mit Käse hergestelltes und mit Zucker gesüßtes Gebäck beschreiben.
Oder eine Art Suppe/Löffelspeise, die als „Käse Creme“ beschrieben wird, aber kein bisschen Käse, dafür aber Fisch enthält:

Cheese Cream
If you want to make Lenten cheese cream, take a lobster and break its neck, den put it into a casserole dish. Put in a dozen prawns and two sea breams, if you have them; if not, put in a hake. Then, when it is all boiled, grind it up well. When you have ground it up take some almonds and pine nuts, and put it in the mortar, and mix it all together. Flavor it with salt, and put in a little saffron and ginger, if you want to.

Favoriten:
Und dann gibts noch diese besonderen Rezepte. Die, die einem bei jedem Durchlesen eines Kochbuches anspringen und unbedingt gekocht werden möchten.
In meinem Fall sind das, unter anderem:

– Eines der seltenen Pilzrezepte dieser Zeit
– Die oben erwähnten gefüllten und in Honig kandierten Walnüsse
– Zwiebeln gefüllt mit Geflügel und in der Asche gebacken (Was übrigens der Annahme widerspricht, dass es im Mittelalter noch keine großen Knollenzwiebeln gegeben hätte …)
– Eine süßsaure Sauce aus Zitronensaft, viel Zucker, Gewürzen und Hühnerbrühe (also ein bisschen wie das berühmte Limonia – Zitronenhuhn)

Es zahlt sich also definitiv aus, das Buch zur Hand zu nehmen – sowohl aus wissenschaftlicher wie aus kulinarischer Sicht.
Weitere Literaturtips findet ihr hier.



4 Gedanken zu „Rezension – „The Book of Sent Soví“ – Katalonische Rezepte aus dem 13./14. Jhd.“

  1. Gedanken beim Lesen:
    * vielleicht sollte ich den Mörser doch in groß bestellen, auch wenn das Ding dann schwer ist wie ein Amboss
    * Käsecreme aus Fisch und Meeresfrüchten? Ooookay …?
    * Ich hätte aus aktuellen Gründen gerne das Pilz-Rezept, wenn möglich.

    1. Hallo Susanne 🙂

      1. Ja, einen großen Mörser will ich auch schon lang einmal. Es ist halt total illusorisch, den zu einer VA mitzunehmen aber für zuhause wärs super.
      2. Genau das hab ich auch gedacht 😀
      3. Ich schick es dir 🙂

      Liebe Grüße
      Christa

  2. Hallo Christa,

    eine sehr gute Rezension, aber leider ist das Buch zur Zeit auf dem Markt nicht erhältlich!!! Oder hast du eine mir unbekannte Bezugsquelle?

    Ich habe eine französische Version von Marty-Dufaut und ein spanisches Buch „Cuina medieval catalan“, das ich mir mal, warum auch immer, in der Buchhandlung des Historischen Museums in Barcelona gekauft habe. Darin sind natürlich auch die Rezepte des „SentSovi“ beschrieben (auf Spanisch) Hier ist übrigens auch die Rede von einem zweiten Manuskript in Barcelona.

    Etwas ganz anderes:
    Wie empfehlenswert ist eigentlich „Nahrhaftes MA: Historische Kulinarik zw. Orient und Okzident?

    Liebe Grüße aus Gelnhausen
    Peter

    1. Hallo Peter,

      nein, ich habe keine speziellen Quellen. Ich habe das Buch schon vor einem Jahr gekauft, bin aber erst jetzt dazu gekommen, es zu rezensieren.
      Es ist wohl wieder eine recht kleine Auflage gewesen …

      Zu „Nahrhaftes Mittelalter“: Ich habe das Buch leider noch nicht. Aber nachdem die Autorin meine Freundin Ylva Schwinghammer von der Uni Graz ist und ich ihre sonstigen Artikel und Arbeiten kenne, gehe ich sehr stark davon aus, dass das Buch ganz ausgezeichnet ist. Sie ist übrgens auch die Hauptverantwortliche für „Speisen auf Reisen“ gewesen.
      Ich wollte mir das Buch auch bald zulegen.

      Liebe Grüße
      Christa

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