Feh ist ein Taschentuch

Manchmal wundert man sich nur noch über die sogenannten ernsthaften Wissenschaftler. Nämlich dann, wenn man über echten Blödsinn stolpert – und zwar auf der Seite einer etablierten, wissenschaftlichen Institution.

In diesem speziellen Fall handelt es sich um die Seite der Niederländischen Nationalbibliothek, die unter anderem den Fecamp Psalter beherbergt.  Dieses Werk ist eines der schönsten Manuskripte des 12. Jhds, wie ich finde, und eine der wichtigsten Quellen für uns weil sich hier sonst sehr seltene Alltagsdarstellungen finden. Jedem, der sich ernsthaft mit dem 12. beschäftigt, ist der Psalter ein Begriff und er ist auch eine sehr gern angegebene Erstquelle um mit der Recherche zu beginnen.

Worüber rege ich  mich jetzt also so auf? Nunja, auf der genannten Seite der Königlichen Bibliothek findet sich auch ein Artikel über den Psalter. Darin heißt es, dass das Buch im Auftrag von Eleonore von Aquitanien entstanden sein soll. Eleonore war die Frau zweier Könige (Frankreich und England) – hintereinander natürlich, nicht gleichzeitig – und die Mutter von Richard Löwenherz. Eine der einflussreichsten und berühmtesten Frauen ihrer Zeit.

Ihr soll also der Psalter gehört haben. Das kann gut sein. Es ist ein ausgesprochen aufwändiges und schönes Buch, das ganz sicher sehr teuer gewesen ist. Aber … leider verzetteln sich die Autoren des Artikels an einer Stelle ihrer Beweiskette ganz gewaltig: Ich zitiere aus dem Originaltext:

„Is Eleanor of Aquitaine indeed the psalter’s patron?

Scholars agree on one thing: the psalter must have been produced for a very rich noble lady. She is portrayed on fol. 28v, kneeling opposite the opening initial of Psalm 1, ‚Beatus vir‘, depicting David and David & Goliath.

Her identity was not much discussed by researchers until recently. In 2016 research by Rodriguez Viejo pointed in the direction of Eleanor of Aquitaine. Several arguments are submitted to support this claim. […]

The blue-white coat lining visible in the clothing of the psalter’s patron is identical to the lining in a mural probably depicting Henry II & Eleanor’s family in Chinon, a village near Fontevraud. The patron saint of the chapel in question, Radegundis, is mentioned only in this particular psalter.

The same blue-white lining can be discerned in the clothing of the nobleman opposite the April calendar in the psalter fol. 4v (link is external).“

https://www.kb.nl/en/themes/medieval-manuscripts/psalter-of-eleanor-of-aquitaine-ca-1185

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Man macht die Annahme, dass Eleonore die Auftraggeberin des Psalters war, zum Teil daran fest, dass sie ein „blau-weißes Mantelfutter“ trägt, das auch auf einem Portrait ihrer Familie vorkommt.

Wenn man nun ein bisschen Ahnung von der Materie hat – und man sollte ja davon ausgehen können, dass die Autoren die in so einem Umfeld haben -, dann weiß man, dass das angesprochene Merkmal eine sehr typische Darstellung eines Mantels mit Fehfutter ist.

Feh ist das Bauchfell des sibirischen Eichhörnchens, das im Hochmittelalter wegen seiner Feinheit und Leichtigkeit und natürlich auch Kostbarkeit, sehr gern als Futter für die Mäntel adeliger Herrschaften verwendet wurde. Und entsprechend oft wird das auch dargestellt. In jedem zweiten europäischen Manuskript finden sich diese typischen Darstellungen in Form eines Dachziegelmusters in Grau oder Blau. (Das tatsächliche Fellstück, das man verwendet hat, ist weiß mit einer hellgrauen Umrandung und wurde dann in diesem Dachziegelmuster verarbeitet.)

Das bedeutet, dass man so ziemlich gar nichts aus der Darstellung des Mantelfutters schließen kann, außer dass die Träger reich und mächtig waren. Schon gar nicht irgendwelche Verwandtschaftsverhältnisse und/oder die Identität des Stifters des Fecamp Psalters.

So – damit beende ich meinen Rant und setze nur hinzu: Ein bisschen Hinausschauen über den Tellerrand der eigenen Disziplin hat noch niemandem geschadet. Eine schlichte Frage an einen Kostümkundler hätte hier gereicht um so einen Fehler zu vermeiden.

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