Steckstühle

Wann immer in Mittelaltergruppen in sozialen Medien Steckstühle auftauchen, gibt es auch Diskussionen dazu, ob es sie im Mittelalter bereits gab. (Zur Klarstellung: Es gab sie nicht. Wir haben aus 1000 Jahren nicht einen einzigen Beleg, egal ob als Fund, Beschreibung oder Bild.)

Ein Argument, das immer mal wieder für Steckstühle auftaucht, ist: „Warum soll es sie nicht gegeben haben? Die Leute waren ja nicht blöd damals und die Teile sind praktisch.“

Wie praktisch waren sie wirklich? Hier eine Gegenüberstellung von Schemel (Hocker), Bank und Steckstuhl – aus mittelalterlicher Sicht!

Diagramm: Vergleich zwischen Schemel, Bank und Steckstuhl

Die letzte Zeile ist wohl der Grund, warum Steckstühle heutzutage als ‚praktisch‘ eingestuft werden.

Mittelalterliche Kochbücher, Rezeptumsetzungen und Literatur dazu

Immer wieder taucht die Frage nach Literatur zum Kochen auf. Daher haben Sonja Hofbauer von der IG 14. Jahrhundert und ich uns zusammen getan um eine sinnvolle Liste zusammen zu stellen.
Die Liste erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, listet aber jene Werke, die uns sinnvoll und nützlich erscheinen, wenn man sich intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte. Außerdem wird die Liste laufend erweitert.

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Rezension – Anne Schulz „Essen und Trinken im Mittelalter 1000 – 1300“

 

Schulz, Anne „Essen und Trinken im Mittelalter (1000 – 1300)  – Literarische, kunsthistorische und archäologische Quellen“ Ergänzungsband zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 74, De Gruyter, Berlin/Boston, 2011

Zunächst das Wichtigste: es handelt sich bei diesem Buch (wie aus der Quellenangabe ersichtlich) um einen Ergänzungsband zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, basierend auf der Dissertation von Anne Schulz. Die vorliegende Neuauflage ist eine erweiterte und überarbeitete Version von 2011. Das heißt: wir haben es mit einem recht aktuellen, wissenschaftlichen Werk zu tun.  Daher kann man davon ausgehen, dass die Erkenntnisse nach wissenschaftlichen Standards gewonnen wurden und noch nicht (oder wenigstens nicht gravierend) veraltet sind.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Es handelt sich hier NICHT um ein Kochbuch! Statt dessen geht es um alles rund um Nahrungsmittel, Küchenpraxis und Ernährung. Anne Schulz hat die gewaltige Aufgabe auf sich genommen, das Essen und Trinken in der Zeit von 1000 – 1300 anhand einer ganzen Reihe von Quellen zu untersuchen.

Entsprechend gliedert sich das über 800 Seiten umfassende Buch wie folgt (Grobgliederung ohne Unterkapitel):

  1. Cause Operandi (Hier erklärt Schulz zunächst ihre Vorgehensweise, die Einschränkungen und Notwendigkeiten ihrer Forschung.)
  2. Fest und Mahl – Essen und Trinken in der höfischen Literatur
  3. Die Tafel im Bild (Malerei als Quelle)
  4. Ländliches Nahrungswesen im Spiegel der Dichtung
  5. Das Leben in städtischen Siedlungen
  6. Essen und Trinken in kirchenlichen Kreisen
  7. Archäologisch erschlossene Nahrungsmittel
  8. „daz muosen tiure näphe sin“ – Tischgerät und Küchenutensilien
  9. Zusammenfassung und Ausblick
  10. Literaturverzeichnis (sehr umfangreich!)

Weiters folgt ein langer, ausführlicher Anhang über beinahe weitere 200 Seiten mit Kapiteln zur Konservierung von Lebensmitteln, Hygiene, Ernährungsbedingte Krankheiten, die Küche als Ort, etc.

Und schließlich noch einmal etwa 50 Seiten mit Tabellen, Registern und Nachweisen.

Das Buch ist sicherlich nicht populärwissenschaftlich, aber dennoch gut lesbar und vor Allem sehr gut strukturiert. Man weiß zu jeder Zeit wo in Schulz‘ Ausführungen man sich befindet, man muss selten sehr lange nach Zeitangaben suchen und sie schweift kaum einmal ab. Das macht das Buch auch zu einem recht handlichen Nachschlagewerk.

Es empfiehlt sich lediglich, ein paar Markierungen zwischen den einzelnen Hauptkapiteln und der entsprechenden Passage in der Zusammenfassung zu setzen (in meinem Fall altmodisch per Zettel). So wie es sich gehört findet sich in der Zusammenfassung die Kurzversion der vorher diskutierten Kapitel. Man kann also recht schnell auf die Hauptargumente zugreifen und sie weiter verwenden.

In der Zusammenfassung findet man übrigens auch ein Kapitelchen mit einer nicht unkritischen Passage zum Thema Mittelaltermärkte bzw. zu der von MA-Märkten geförderten Mittelalterrezeption .

Das Buch enthält, wie oben angedeutet, eine sehr große, sehr umfangreiche Literaturliste. Alleine das ist ein Schatz für unsereins. Obskure Zeitschriftenartikel finden sich hier ebenso wie die Hauptwerke zum Thema.

Eine riesige Menge an gut recherchierter Information also. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass man sie kritiklos hinnehmen sollte! Mein Exemplar ist mit kleinen Fragezeichen-Zetteln gespickt, wo ich entweder nicht der Meinung der Autorin bin oder ich die Aussage grundsätzlich für falsch halte. Ein kleines Beispiel dazu: Auf Seite 319 erörtert Schulz die Ernährung im Winter und sagt dazu „im Winter ließ sich ja an Gemüse oder Obst lediglich auf den Tisch bringen, was dörrbar oder z. B. durch Einlegen […] oder Einsalzen dauerhafter wurde.“Dabei übersieht sie, dass es eine ganze Reihe von Obst- und Gemüsearten gibt, die sehr gut roh lagerbar sind. Dazu gehören die meisten Rübenarten, ebenso wie viele, gerade auch alte, Apfel- und Birnensorten.

Auch ganz offensichtliche Fehler, die auf eine Wissens- oder Wahrnehmungslücke schließen lassen gibt es. Auf S. 631 ist ein Bild aus einer Handschrift (Anfang 13. Jhd) zu sehen, auf der ein Mann kocht, der eine Bundhaube trägt. Schulz hält den Mann für eine Köchin, „deren Haar durch eine Haube fast ganz bedeckt ist.“ Kennt man sich in der Kostümkunde ein wenig aus, ist sofort klar, dass es sich nicht um eine Frau handelt.

Persönlich finde ich es auch schade, dass Anne Schulz keinerlei Bezug auf die erhaltenen Kochbücher nimmt, der Großteil davon mag jünger sein als der von ihr bearbeitete Zeitschnitt, es gibt aber auch einige erhaltene Sammlungen aus dem Hochmittelalter. Ein kurzes Kapitel zu dem Thema wäre angebracht gewesen.

Trotz seiner Fehler halte ich das Buch für ein absolutes Standardwerk zum Thema und würde jedem, der sich mit der Materie beschäftigt die Lektüre empfehlen.  Man erhält fundierte Recherche, eine Vielzahl an Quellen und eine solide Grundlage. Und natürlich viele, viele Ansatzpunkte um selber weiter zu recherchieren – was für unsereins ja fast das Beste daran ist 🙂

 

Zukunftsmusik

Bei normaler Recherche für die Darstellung ist eine der Grundregeln „Was etwas früher war, darf man mit einbeziehen aber lass bloss die Finger von allem, was später kommt.“

Das ist ja auch nachvollziehbar – frühere Entwicklungen kann man zumindest in Überlegungen mit einbeziehen, aber später ist eben die Zukunft der Darstellungszeit und da hat man mit der Recherche nichts verloren.

Wenn man nun aber, wie wir, eine Darstellung am Ende des 12. Jahrhunderts ansiedelt, muss man diese, eigentlich sehr logische, Prämisse zeitweise ignorieren.

Es ist nämlich so: Es gibt im Laufe des 12. Jhds eine große, intellektuelle und kulturelle Wende, die von vielen als „Die Renaissance des 12. Jahrhunderts“ bezeichnet wird. Wer sich genauer einlesen möchte, findet hier eine Übersicht dazu:  http://www.hottopos.com/convenit3/fidora.htm Sehr allgemein gesprochen geht es darum, dass sich in den Wissenschaften, der Kultur, der Kunst, der Gesellschaft und vielen anderen Lebensbereichen eine Menge geändert hat. Die ersten Universitäten werden gegründet, die Gotik kommt auf, die Städte werden wichtiger, der Austausch zwischen Gelehrten jeder Art nimmt stark zu, der Minnesang und die Ideale des Rittertums kommen auf etc.

Das führt dazu, dass der Beginn des 12. gerne noch ins Frühmittelalter gegliedert wird, das Ende aber dann schon ins Hochmittelalter. Das 12. wird daher manchmal auch als Frühes Hochmittelalter bezeichnet.

Und das widerrum macht den Gedanken zulässig, dass wir mit unserer Darstellung dem Beginn des 13. Jahrhunderts näher sind als dem Beginn des 12. Soll heißen: wenn ich nach Quellen suche, kann es für mich – je nach Thema – sinnvoller sein, bis ca. 1220 zu suchen als vor 1150. Die oben erwähnte Architektur wäre da ein typisches Beispiel – die frühe Gotik hält zu unserer Darstellungszeit in ganz Europa Einzug und löst die Romanik ab.

Wie geht man also mit sowas um? Vorsichtig. SEHR vorsichtig. Sehr kritisch und sehr behutsam. Denn natürlich muss man immernoch sehr genau unterscheiden, was zeitpassend ist und was Zukunftsmusik. Besonders bei Themen, die sich sehr rasant ändern können, wie zum Beispiel Mode, bleibe ich streng beim 12. Andere, wie zum Beispiel das Kochen und Essen, ebenso wie die Tischkultur lassen da schon ein weiteres, zeitliches Feld zu.

Zusammenfassend: es kann sich für die Darstellung am Ende des 12. lohnen, die Nase ins 13. zu stecken. Aber nur, wenn man genau weiß, was man tut, sehr behutsam vorgeht und alles kritisch hinterfragt.

 

Jäger und Sammler

Nicht jeder in unserem Hobby ist für die Recherche geboren. Manche sind eher für die praktische Umsetzung im Handwerk zu haben, andere bevorzugen das aktive Präsentieren und Vermitteln. Dennoch ist ein gewisses Maß an Fachliteratur für uns alle notwendig. Und sei es auch nur, um das Eine oder Andere nachschlagen zu können.

Zum Glück ist es mittlerweile für viele Journale und Jahrbücher Usus, ältere Exemplare über das Internet frei zugänglich zu machen. Das ist eine wertvolle und riesige virtuelle Bücherkiste, deren Erkundung aber einen eigenen Artikel verdient hat. Hier möchte ich mich auf das klassische Buch beschränken.

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