Kleines Sauerteig-Experiment

Ich habe ja hier und hier schonmal einiges zum Thema Hefe und Sauerteig geschrieben.
Dabei ist auch die Frage aufgetaucht, wie man beides eigentlich gelagert hat.

Nun kann man bei der Hefe davon ausgehen, dass sie entweder beim Brauer geholt werden konnte oder vom eigenen Brauen aufgehoben wurde.

Wie ist das aber mit dem Sauerteig?
Natürlich kann man theoretisch vor jedem Backen frischen Sauerteig ansetzen, was aber absolut sinnfrei ist.
Wenn man einen Erdkeller mit einer konstant niedrigen Temperatur hat, hat man den Sauerteig wahrscheinlich ganz einfach dort aufgehoben. Aber was, wenn so eine Aufbewahrungsmethode nicht zur Verfügung stand?
Wir wissen, dass man Sauerteig trocknen kann – den Teig einfach dünn aufstreichen und trocknen lassen.
Für frühe Brauvorgänge gibt es auch Hinweise auf Hefe, die man auf einem Löffel hat trocknen lassen. Der Löffel wurde dann beim nächsten Brauvorgang einfach wieder verwendet. Es gibt keinen Grund, warum das nicht auch mit Sauerteig funktionieren könnte.

Trotzdem: Sauerteig trocknen kostet doch Platz und man muss ständig ein Auge drauf haben, dass da keine Insekten drauf kleben oder sich sonst Schmutz fängt.

Meine bevorzugte Methode zur Aufbewahrung habe ich – wie auch das Brotbacken selbst – von meinem Schwiegervater übernommen, der gelernter Bäcker ist.
Wie er habe ich, statt des sonst üblichen flüssigen Sauerteigs, nur einen Klumpen Teig im Kühlschrank.
Es wird einfach der gesamte Klumpen vor dem Backen mit Wasser und Mehl angesetzt, dann wartet man 12 Stunden, entnimmt ungefähr die Hälfte und macht daraus wieder einen Klumpen. Für mich ist das ideal, weil es eine Menge Platz spart und ich den Sauerteig völlig ignorieren kann bis ich ihn das nächste Mal brauche. (Oft liegt er dann ein paar Wochen einfach irgendwo hinten im Kühlschrank.)
Der Gedanke, der hinter dieser Aufbewahrungsmethode steht: dem Teig durch das Mehl so viel Flüssigkeit entziehen, dass er, unterstützt von der Kühlschranktemperatur, in eine Art Halbschlaf fällt.
Sobald man den Teig aus dem Kühlschrank nimmt und einige Stunden Zimmertemperatur ziehen lässt, beginnt die Hefe zu reagieren. Der gesamte Teigklumpen wird weicher, die Außenseite leicht schmierig und er bekommt diesen typischen, aromatischen Duft.

Das führt mich zum nächsten, logischen Gedankenschritt:
Was, wenn ich der Hefe einfach durch das Mehl noch mehr Flüssigkeit entziehe? Kann ich den Sauerteig dann bei Zimmertemperatur lagern?
Nachdem ich heute sowieso backe, habe ich beschlossen, das einfach mal zu probieren.

Ich habe eine entsprechend größere Menge Sauerteig angesetzt und dann den Ansatz zum Aufbewahren aufgeteilt.
Ein Drittel habe ich zu meinem normalen Ansatz-Teigklumpen verknetet. Der wandert ganz gewöhnlich in den Kühlschrank.
Zwei Drittel habe ich mit so viel Mehl vermischt, bis sich alles sehr trocken angefühlt hat und beim Zusammendrücken ganz sicher nicht mehr zusammen gehalten hat. Eine sandige Konsistenz, könnte man sagen.

Dann habe ich den „Sauerteig-Sand“ halbiert und eine Hälfte in ein modernes Einweckglas gefüllt – also eine luftdichte Aufbewahrungsmethode.
Die andere Hälfte habe ich in ein unglasiertes Tongefäß gefüllt, wie es im 12. Jhd üblich gewesen wäre. Als Verschluss habe ich ein einfaches Stück schweres, dicht gewobenes Leinen verwendet. Diese Aufbewahrungsmethode lässt natürlich Luft durch.

Sauerteig in einem Tongefäß, in einem Einweckglas und so, wie er bei mir in den Kühlschrank kommt.
Leinenabdeckung für das Tongefäß.


ZWEI WOCHEN SPÄTER

Zunächst einmal: der Sauerteig in dem luftdichten Gefäß wäre nach drei Tagen fast aus dem Glas geklettert – also offensichtlich immernoch zu viel Feuchtigkeit im Teig.
Er hat außerdem sehr stark alkoholisch (ganz genau wie Bier) gerochen. Das tut Sauerteig, wenn er ‚hungrig‘ ist – also wenn die Hefe nicht genug Zucker bekommt.
Ich habe daher die gleich Menge Roggenmehl und einen halben Teelöffel Zucker nachgefüllt und alles gründlich durchgeschüttelt. Ich habe also einerseits noch mehr Feuchtigkeit gebunden und andererseits zugefüttert. Kurz darauf haben sich die Tierchen beruhigt.
Nach Hefe gerochen hat es aber immernoch.

Der Sauerteig-Sand im Tongefäß ist nur noch trockener geworden und hat nach gar nichts gerochen außer nach Roggenmehl.

Beide „Teige“ haben sehr harte Klümpchen aus getrocknetem Roggenteig enthalten. Und mit hart meine ich: so hart, dass man sie auch mit viel Mühe mit den Fingern nicht zerdrücken konnte.
Es ist kein Zufall, dass man im Mittelalter auch mit Roggenteig geklebt hat – wer schon einmal damit gearbeitet hat, weiß: wenn das Zeug trocknet, wird es fest wie Zement.
Genau das ist auch hier passiert. Diesen Effekt kenne ich aber auch von meinem im Kühlschrank gelagerte Teigklumpen, der gerne eine harte Kruste bekommt.
Das ist nicht schlimm und löst sich im Wasser auf, sobald man den Sauerteig ansetzt.

Heute habe ich dann mit beiden Sauerteigen gebacken.
Ich habe beide gemeinsam mit meinem üblichen Sauerteig angesetzt – nur eben in Kleinmengen.
Hier im Bild der Vergleich: der ‚große‘ Sauerteig mit dem oben gezeigten Klumpen Teig und 800 ml Wasser, die beiden kleinen mit je einem gehäuften Esslöffel ‚Sand‘ und 250 ml Wasser.
Alle Sauerteig-Wassermischungen wurden mit soviel Roggenmehl vermischt, bis eine Konsistenz wie sehr weicher Schlamm entstanden ist.
Beiden Versuchssauerteigen habe ich außerdem einen halben Teelöffel Honig gegönnt um die Sache in Schwung zu bringen.

Und bevor jetzt jemand fragt: ja, ich habe die Leinenschnur beim Tongefäß gegen ein Gummi ausgetauscht – das war zum täglichen Nachsehen einfacher und ändert nichts am Versuch.

Nach nicht ganz einem Tag zugedeckt im (natürlich abgeschalteten!) Backrohr, haben die drei dann so ausgesehen:

Man sieht schön die Aktivität der Hefe. Alle drei haben auch nach Hefe geduftet.

Ich habe aus den beiden kleinen Sauerteigen Mischbrote aus halb Roggen-, halb Dinkelmehl gemacht.
Beide durften dann noch einmal zwei Stunden gehen.
Danach habe ich sie durchgeknetet und in Gärkörbchen gesetzt, damit sie ein zweites Mal aufgehen konnten. (Meine Gärkörbchen sind für diese kleinen Menge ein bisschen groß, daher sind die Formen etwas seltsam …).

Links das Brot mit dem Teig aus dem geschlossenen Glas, rechts der Sauerteig aus dem Tongefäß. Man sieht gut, dass der ‚Tonsauerteig‘ nicht ganz so hoch aufgegangen ist.

Auch bei der Krume sieht man Unterschiede:

Der Sauerteig aus dem Glas: Die Krume ist lockerer und gröber.
Der Sauerteig aus dem Tongefäß: Die Krume ist dichter und feiner. (Allerdings ist auch hier nichts teigig oder hart geworden.)
Hier – zum Vergleich – auch noch Brot mit meinem üblichen Sauerteig (also dem Teigklumpen im Kühlschrank). Das hier ist mit 1/3 Dinkel, 1/3 Weizen und 1/3 Roggen gemacht, deshalb ist es relativ hell.

Was ist also nun das Ergebnis meines kleinen Experiments?

– Sauerteig kann problemlos ‚trocken‘ aufbewahrt werden.
– In diesem Zustand braucht er keine Kühlung.
– Im Tongefäß und mit Luftzufuhr trocknet er weiter aus und bleibt völlig inaktiv.
– Im Glasgefäß und unter Luftabschluss muss man noch stärker darauf achten, sehr viel Mehl dazu zu geben, also noch mehr Flüssigkeit zu binden.

Daraus folgt weiter:
– Dem Sauerteig im Glasgefäß sollte man etwa einen Tage Zeit für den Ansatz geben
– Der Sauerteig im Tongefäß würde wahrscheinlich noch einen halben Tag länger brauchen um die selbe Leistung zu bringen, da er mehr Flüssigkeit aufnehmen muss.

DREI MONATE SPÄTER

Der Sauerteig aus dem Tongefäß hat sich nicht verändert. Trocken, riecht nach nicht viel, hat einzelne, steinharte Stückchen (Roggenteig wird ja SEHR hart, wenn man ihn gut austrockenen lässt).

Ich habe den Sauerteig diesmal 36 Stunden vorher mit zwei TL Honig angesetzt. Nach 12 Stunden war er rehydriert (auch keine harten Stückchen mehr zu finden) und hat angefangen zu arbeiten.
Nach weiteren 24 Stunden war er sehr aktiv und hatten diesen „Ich-habe-Hunger!-Alles-Liebe-Dein-Sauerteig“-Geruch nach Alkohol. Im Prinzip riecht er dann wie Bier und schäumt sogar ein wenig. Würde man ihn weiter entwickeln, würde man an dieser Stelle Mehl zufüttern und weiter stehen lassen.
Leider habe ich vergessen, an dieser Stelle ein Foto zu machen … aber es hat eben ausgesehen wie gut arbeitender Sauerteig mit ein wenig Schaum.
Ich habe den Teig dann fertig gemacht – halb Roggen, halb Dinkel – und zwei Stunden gut warm rasten lassen. In dieser Zeit ist er schön aufgegangen und hatte eine wunderbare, luftige Konsistenz.
Ich habe dann Laibe geformt und noch einmal zwei Stunden Zeit zum gehen gegeben. Auch die Laibe waren sehr luftig und beim Umsetzen auf das Backblech spürbar locker.

Das Endresultat ist mit dem obigen Versuch mit dem trockenen Sauerteig vergleichbar, hat allerdings eine noch etwas gleichmäßig-lockerere Krume. Allgemein kann man vielleicht festhalten, dass der trockene Sauerteig sehr gut funktioniert, aber kleinporiger und gleichmäßiger treibt als der Sauerteig aus dem Kühlschrank. Soll heißen: die Brote bleiben etwas flacher, sind dabei aber ebenso locker.

Und nein, das Brot ist nicht teigig, das Messer ist nur nicht mehr sonderlich scharf ….

Für mögliche Aufbewahrungsmethoden im Mittelalter bedeutet das:
– Es ist ohne Weiteres möglich, Sauerteig in sehr trockenem Zustand mit den Möglichkeiten des 12. Jahrhunderts aufzubewahren. Außerdem wäre er in diesem Zustand auch sehr leicht zu transportieren (falls das ein Kriterium sein sollte).

2 Gedanken zu „Kleines Sauerteig-Experiment“

  1. Tolles Experiment!
    In dem unglasierten Gefäß sollten sich eigentlich sogar (idealerweise die richtigen) Hefen und Bakterien ansammeln, wodurch sich später darin auch besser Sauerteig ansetzen lassen könnte.
    Statt des Leinentuches könntest du ggf. ein Stück Pergament nehmen, befeuchten und auf das Tongefäß anpassen. Das habe ich bei einem Erdbeermuß gemacht und das hält und hält und hält.
    Meinen Weißensauerteig lagere ich einen Großteil des Jahres außerhalb des Kühlschrankes und in einem nicht luftdicht verschlossenem Glas.

    1. Hallo Antonia,
      erstmal: danke fürs Lesen 🙂

      Arbeitet dein Weizensauerteig nicht, wenn du ihn bei diesen Temperaturen stehen lässt? Meiner würde da die Weltherrschaft an sich reißen 😀

      Was die Sache mit dem Pergament angeht: ich wollte in diesem Fall mal die wahrscheinlichste Variante probieren.
      Für die Verwendung von Pergamentdeckeln in der Küche gibts so gut wie keine Belege (für Schweineblase schon eher, übrigens). Wir verwenden zwar innerhalb des Vereins zum Teil auch Pergament aber die Beleglage ist da halt extrem dünn.
      LG
      Christa

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