Ausflug in die Zukunft – Eine Pilzsauce aus dem 18. Jhd.

Also bevor jetzt jemand fragt: Nein, ich werde dem Mittelalter nicht untreu. Jedenfalls nicht für lange 🙂 Tatsache ist aber, dass ich das Rezept für „Mushroom Ketchup“ schon ausprobieren wollte, als ich es 2012 das erste Mal bei „18th Century Cooking“ gesehen habe.

Es handelt sich dabei um eine You Tube Serie, die von der Firma Townsends herausgegeben wird. Genau genommen ist der ganze Channel Werbung, denn Townsends ist ein amerikanischer Online-Versand für Reenactmentzubehör. Aber es ist sehr gute und mit Herz gemachte Werbung mit viel gut recherchiertem, historischem Hintergrund.

Hier also das Video:

Und eine Übersetzung des Rezepts auf Deutsch. (Bitte beachten, dass es sich bei den Mengenangaben in Esslöffeln, Teelöffeln und Tassen um amerikanische measuring cups und spoons handelt. Ich habe sowas zuhause und habe sie daher auch verwendet, es gibt da draußen aber eine Menge Converter, mit denen man das umrechen kann. Persönlich glaube ich allerdings, dass es diese ganz genauen Angaben gar nicht braucht. Die Verhältnisse sollten halt ungefähr stimmen.)

Pilzsauce

1 kg frische Pilze, geputzt und in kleine Stücke geschnitten

1 – 3 Lorbeerblätter

1 große Zwiebel, in kleine Stücke geschnitten

Schale einer Zitrone

1 EL frisch geriebener Kren (Meerrettich)

1/4 TL Nelkenpulver

1/2 TL Piment (Nelkenpfeffer)

Eine Prise Cayenne

1/2 Tasse Apfelessig

 

Und jetzt zu meiner Version.

Ich habe mich im Prinzip genau an das Rezept gehalten. Ich habe allerdings 800 g weiße Champignons mit 200 g braunen Champignons vermischt.

Und ich hatte keine Gelegenheit mehr, Piment, auch Nelkenpfeffer genannt, zu bekommen. Piment ist in unserer Gegend ein typisches Lebkuchengewürz und daher nur vor Weihnachten leicht aufzutreiben. Außerdem hatte ich keine Zeit mich länger auf die Suche zu machen oder es Online zu kaufen.

Also folgte eine kurze Recherche im Internet, mit dem Titel „Piment ersetzen“. Nachdem ich einige Resultate durchgesehen hatte, habe ich mich für die Mischung Zimt, Nelkenpulver, Muskatnuss im Verhältnis 1:1:1 entschieden.

Ich habe also damit begonnen, die Pilze zu schneiden, was mich eine gute Stunde gekostet hat 🙂 Denn ich wollte ja, dass die Pilze zuerst viel Flüssigkeit lassen und danach gut getrocknet werden können. Beides geht besser, je mehr Oberfläche man hat. Daher also … Pilze kleinst schnippeln. (Und ja, ich hätte sie in den Cutter schmeißen können. Aber ich gehöre zu den seltsamen Leute, die gerne Gemüse schneiden und das auch noch meditativ finden.)

(Für alle folgenden Bilder gilt: für die größere Version bitte anklicken.)

So sieht also ein Kilo Pilze ganz klein geschnippelt aus.

Danach habe ich die Pilze mit Salz und Lorbeer vermischt. Schon nach wenigen Sekunden konnte man fühlen, wie die Pilze feucht und klebrig werden.

Nach einer knappen halben Stunde haben sie schon sehr sichtbar Flüssigkeit verloren.

Im Rezept wird verlangt, dass man die Mischung über Nacht stehen lassen soll. Nachdem ich aber in der Früh um sechs (ja, ich bin auch am Feiertag mal so früh wach) mit der Arbeit begonnen habe, habe ich mich dazu entschieden, das Ganze 8 Stunden stehen zu lassen und am Nachmittag weiter zu machen.

Nach dieser Zeit sah das Ganze dann so aus:

 

Es folgten dann erst die Gewürze und dann die Zwiebel:

 

 

 

 

Danach habe ich die Pilze ca. 25 min köcheln lassen, alles abgedeckt und schließlich durfte der Brei über Nacht auskühlen und durchziehen.

Am nächsten Morgen habe ich dann die Masse in ein sauberes Tuch geschüttet und kräftig ausgepresst.

Damit war das Mushroom Ketchup eigentlich fertig. Aber ich wollte ja auch noch das Gewürzpulver aus den ausgepressten Resten herstellen.

Also alles auf ein Backblech, bei 80 Grad erstmal 3 Stunden trocknen lassen.

 

 

 

Zuerst noch ganz frisch und das Ergebnis nach 3 Stunden.

Ich habe die nun schon recht trockenen Brösel im Cutter noch wesentlich feiner zerhackt und noch einmal 2 Stunden im Rohr gelassen. Diesmal allerdings bei 60 Grad, damit das feinere Pulver nicht womöglich verbrennt.

Und hier haben wir das Ergebnis: ca. 600 ml Mushroom Ketchup und einige Gramm (ich hab es nicht abgewogen) Gewürzpulver.

Fazit:

Rezeptgenauigkeit und Arbeitszeit:

Das Rezept hat ganz wunderbar funktioniert. Die tatsächliche Arbeitszeit hält sich sehr in Grenzen. Am Längsten dauert sicher das Pilzeschneiden, wobei – wie gesagt – das kann man in einer modernen Kücher sicher auch mit einem Cutter beschleunigen. Das Auspressen geht am Leichtesten zu zweit, ist aber auch alleine zu schaffen. Der Großteil der gesamten ‚Arbeit‘ besteht aus Warten. Alles in Allem muss man ca. 1 1/2 Tage rechnen bis alles fertig ist.

Geschmack:

Das Erste, was man wahrnimmt ist die Säure. Die hat aber nur einen kurzen, frischen Auftritt und wird sehr schnell vom komplexen Umami-Geschmack der restlichen Zutaten ergänzt und teilweise ersetzt. Der Geschmack ist tief und hängt lange auf der Zunge. Am Längsten bleiben Noten von Pilzen, Zimt und Nelken. Alles in Allem sehr befriedigend und wunderbar würzig.

Mögliche Variationen:

Die Menge an Essig kann schon erschrecken. Ich wusste außerdem, dass mein Apfelessig relativ sauer ist. Trotzdem wollte ich mich erstmal an das Rezept halten. Kurz nach dem Kochen dachte ich dann auch prompt: das ist VIEL zu sauer! Ich habe daher noch zwei TL Zucker dazu getan. Nach einer Nacht stehen hat sich das Ganze sehr schön ausbalanciert.
Wenn man weiß, dass man relativ sauren Essig hat, könnte man aber einen Teil davon gleich durch Wasser ersetzen. Mir persönlich schmeckt das Ergebnis jetzt aber wirklich sehr und ich würde es nicht mehr verändern.

Da ich scharfes Essen nicht mag, war ich beim Cayennepfeffer sehr sparsam. Es war wirklich nur eine Prise – natürlich kann man hier gut noch nachbessern. Auch alle anderen Gewürzverhältnisse kann man sehr leicht den eigenen Vorlieben und auch der eigenen Vorratskammer anpassen.

Ich glaube, dass man die Sauce noch in eine GANZ andere kulinarische Liga heben könnte, wenn man die Champignons ganz oder teilweise durch Steinpilze ersetzen würde. Auch frische Shitake kann ich mir gut vorstellen. Aber für den Anfang war es mir wichtig, leicht erhältliche Pilze zu verwenden – schließlich soll dieser Post ja auch zum Nachmachen anregen. 🙂

Ich bin auch gespannt darauf, wie sich die Sauce noch verändern wird. Sie steht jetzt im Kühlschrank und wird sich sicher noch weiter entwickeln.

Das erste Mal wird sie am kommenden Sonntag zum Einsatz kommen – als Zugabe zu Pfannengemüse mit Reis.

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